Italien Herbst 2013 -Teil 3: Alba - Trüffelstadt im Piemont

Antworten
Nachricht
Autor
Rod
Junior Member
Beiträge: 39
Registriert: 23. Sep 2009, 05:18
Wohnort: Berlin

Italien Herbst 2013 -Teil 3: Alba - Trüffelstadt im Piemont

#1 Beitrag von Rod » 6. Nov 2013, 17:14

.

Alba - Trüffelstadt im Piemont


(Bitte im Browser die Lesezeichen- Favoriten-Leiste links ausblenden, dann werden die kleinen
Bilder nebeneinander dargestellt und die Bildunterschriften passen auch, danke.)

(Hier geht es direkt zum Teil 1: Apulien - Vieste und Trulli-Region Alberobello)

(Hier geht es direkt zum Teil 2: Pompeji und Bologna)



Bild

Markt vor dem Dom von Alba (aus dem 15. Jhd.)



Sie stand einfach da, klassische Züge, groß, selbstbewusst, Kurven zum Dahinschmelzen und ihr Rot hob ihr helles Gold wunderbar hervor. Wenn sie erwachte, spürte ich sofort den Hauch ihres Duftes. Doch meine Liebe wurde nicht erwidert. Kaffeeröstmaschinen sind hartherzig, selbst italienische. Doch wir teilen bis heute eine Leidenschaft: Kaffeebohnen.



Bild

"Meine" Macchina - Kaffeeröstmaschine von Petroncini


Vor zig Jahren landete ich irgendwie in der Stadt Alba im Nordwesten Italiens. Im Zimmer stand ein Bett aus dem Ersten Weltkrieg, darunter eine Mausefalle und das Frühstücksbrot staubte. Auf der Flucht vor dieser Zumutung landete ich im Cafe Vergnano (Via Cavour11). Und dort steht sie heute noch, die wundervolle Macchina. Damals röstete sie an manchen Tagen noch Bohnen. Ich saß daneben, aß mein Panino und bestaunte die italienische Kaffeekultur. Kaffee war für mich damals ein braunes Gesöff, das aus löslichem Pulver oder, wenn es hoch kam, per Filtertüte gebraut wurde. Cappuccino hielt ich für völlig überbewertet und dass man eine Pfütze bitteren Kaffeesatz namens Espresso trinken und gar dafür bezahlen sollte, grenzte für mich an Betrug.


Bild

Betrug oder Genuss?



Um so verwunderter beobachtete ich Italiener, die sich vom Barista Bohnenmischungen aus fünf verschiedenen Röstungen zusammenstellen ließen, mit Leidenschaft diverse Blends verkosteten und nicht wenig Geld auf dem Tresen ließen. Am dritten Tag bemerkte der Barista mein verhaltenes Interesse.



Bild

Von der Bohne zur Röstung


Kaum hatte ich meinen ersten Espresso bei ihm bestellt, überschüttete er mich mit Erklärungen, ich verstand kein Wort. Damit ich es begriff, zerrieb er zwischen Daumen und Zeigefinger diverse Röstungen, um mir die Unterschiede klar zu machen. Nach dem sechsten Espresso war mein Puls auf 180, ich winkte verzweifelt ab und flüchtete. Zu spät. Der Espresso-Virus hatte mich erwischt. Das kann ich vier Espressomaschinen und zwei Mühlen später mit Sicherheit sagen.


Bild

Heute ist das Café Vergnano in Alba modern und etwas anders.


Bild

Man muss nicht verrückt sein, um sich auf Espresso einzulassen, es macht aber schöner.


In unseren Herbsturlauben 2013 und 2013 lag Alba mehr oder weniger auf der Heimfahrtroute. Eine gute Gelegenheit, meine alte Liebe zu besuchen. Der Zufall wollte es, dass die Feinschmecker aus aller Welt ebenfalls nach Alba pilgerten, die Trüffelmesse lockte. Im Herbst dreht sich in der mittelalterlichen Innenstadt alles um Trüffel, vor allem den weißen.



Bild

Alte Bar in der Innenstadt von Alba



Bild

Belebte Gasse in der Altstadt von Alba



Bild

Schaufenster mit Weinen aus Barolo, Tagliatelle (Bandnudeln) und Haselnüssen aus der Region


Alle Vorurteile über Italien sind Urteile: ;) Hier spielt sich das Leben wirklich auf der Straße ab. Selbst als die Läden geschlossen hatten und kaum Marktstände zum Bummeln einluden, war es abends auf den Haupt-Flaniermeilen am Wochenende rappelvoll. Die Bars und Restaurants hatten die Türen und Fenster weit geöffnet. Man schaute hinein und wurde gesehen, oft folgte ein kurzer Schwatz. Die Bars stellten ihre Stühle raus, die sofort besetzt waren. Unterwegs waren alle Schichten, vom Partyvolk bis zum distinguierten Signore, der würdig die Szene abschritt. Schnappt Euch draußen einen Platz, lasst das Schauspiel vor Euch ablaufen, hört, seht und riecht, taucht ein. Und spätestens dann wird Euch auch auffallen, dass sich die Menschen hier sehr stilsicher kleiden. Obwohl ich mir nix aus Mode mache, komme ich mir in Alba immer vor wie in Sack und Asche, was dem Vergnügen aber keinen Abbruch tut.



Bild

Coole Mode



Bild

Coole Menschen



Bild

Coole Arkaden



Bild

Am Piazza Duomo


An Samstagen ist Markt in Alba. Als wir im Herbst dort waren, war der Markt geteilt. In den Innenstadtgässchen war Fressmarkt, edle Käse, besondere Fleischwaren, ausgesuchte Weine usw.. Entlang der alten Stadtbegrenzung war ein riesiger Gebrauchsmark. Auch hier gibt es frische Steinpilze, tollen Käse. Aber, es werden auch Haushaltswaren, Gebrauchsgegenstände, Kleider usw. verkauft. Alles ist etwas rustikaler und mehr am praktischen Nutzen orientiert. Nüsse, Kastanien oder Paprika bleiben in ihren Transportkisten. Die Qualität der Lebensmittel ist allerdings auch hier meist ausgezeichnet.


Bild

Der große Markt, alles frisch vom Lieferanten



Bild

Haushaltswaren



Bild

Mandeln en gros



Bild

Pilze, hier auf dem großen Markt etwas preiswerter als in der Innenstadt



Bild

Steinpilze


Die Marktstände im Zentrum Albas sind aufwendiger als die am Rande der Stadt. Hier findet man keine Buden mit Werkzeugen oder Arbeitsklamotten. Die Händler verkaufen eher Weine, Trüffel und Zutaten für die dazu passenden Gerichte. Und doch finden sich mittendrin immer wieder kleine Händler, die zum Beispiel zehn Pfund Tagliatelle für kleines Geld verkaufen. Diese unkonventionelle Mischung macht den Reiz der Stadt aus.



Bild

Hier geht's mit viel Spaß um die Wurst


Bild

Schafskäse mit Thymian



Bild Bild

Lehrlinge kochen vor - ob das was wird?



Bild

Gewürze aus aller Welt


Bild

Stimmungsvoller Öko-Teil des Innenstadtmarktes an der Piazza Pertinace



Trotz der Heerscharen von Motorrollern ist Italien das Land der faszinierenden Motorräder. Viele Maschinen werden im Norden geschmiedet: Bimota in Rimini , Ducati in Bologna oder Laverda in Breganze. Doch zur Trüffelmesse ist in Alba von ihnen nichts zu sehen. Dann trumpft das Harley-Davidson-Chapter der Stadt auf. Die schweren Cruiser aus Milwaukee sind auf dem Platz am Kreisel von Viale Torino und Corso Giacomo Mateotti dicht belagert. Kinder begeistern sich für die chromblitzenden Boliden, Familienväter geraten ins Träumen, Frauen finden die Maschinen anziehend und ältere Herrschaften sehen ihren zweiten Frühling nahen.


Bild

Träume gesetzter Männer: Harley-Davidson-Motorräder


Bild

Bild

Alternativprogramm: Historisches Fahrrad mit Moto-Garelli-Motor aus Mailand mit dem schönen Namen "Mosquito" am Rande des Öko-Marktes



Bild Bild

Traditionelle Umzüge während der Messe



Bild

Zentrale Piazza Duomo


Bild Bild

Die Dämmerung kommt, die Gassen füllen sich und ...


Bild Bild

... das Spiel beginnt.






Bild

Eingang zur Trüffelmesse



Bild

Mit einem Hobel wird der rohe weiße Trüffel hauchdünn über die Tagliatelle gehobelt, etwa 10 bis 25 Gramm



Bild

Das Objekt der Begierde: weiße Trüffel



Trüffel sind schwierig, zunächst. Wer sie nicht kennt, zuckt vielleicht die Achseln und denkt, das ist doch nur was für Schnösel, denen nichts zu teuer, zu exotisch und zu angesagt sein kann, Affenkram halt. Zunächst: Niemand muss Trüffel mögen. Wenn Geruch und Geschmack nicht zusagen, dann ist das so. Ihr werdet auch ob des furchtbar tollen Geschmacks nicht tot umfallen. Einfach schauen, an den Trüffeln riechen und vielleicht in einem Restaurant ein Trüffelgericht bestellen.



Bild

Trüffelmesse



Bild

Bilder der Messe von 1964



Bild Bild

Weiße Trüffel werden gewogen



Bild

Schwarze Trüffel



Bild

Schwarzer Trüffel



Bild

Trüffelsucher - sie verkaufen direkt an den Gourmet


Die Trüffelmesse - Fiera del tartufo - in Alba hat Tradition. Im Jahr 2013 strömten die Liebhaber des Pilzes zum 83. Mal in die Stadt, deren mittelalterlicher Stadtkern noch völlig erhalten ist. Alba wird auch als Hauptstadt des weißen Trüffels bezeichnet. Der "Tartufo bianco del Piemonte" oder "Tartufo bianco di Alba" (Tuber Magnatum Pico) duftet stark, ist selten und wird wegen seines Geschmacks von Feinschmeckern hoch geschätzt, entsprechend teuer wird er gehandelt. Ein Gramm bester Ware kostete 2013 zwischen vier und sechs Euro, das schwankt nach je nach Qualität des einzelnen Trüffels und dem Ausfall der Ernte deutlich. Man isst ihn meist roh, in sehr dünne Scheiben gehobelt zu Risotto, Nudeln oder Eierspeisen. Der Schwarze Trüffel duftet weit weniger stark, ist aber aromatischer als der weiße Trüffel. Er kommt häufiger vor und ist deshalb auch preiswerter.



Bild

Doch es geht nicht nur um Trüffel. Hier werden mit ganzem Einsatz frische Tortellini an den Mann gebracht ....


Bild Bild

... traumhafter Käse geschnitten ...


Bild

... in Barolo eingelegte Schweinefilets verkostet ...


Bild

... mildes Olivenöl gekauft ...


Bild

... Weine verkostet ...



Bild

.. bei Mossio Wein gekauft.



Diese Nase und Lachfalten kennst Du doch. 2012 hatten wir bei einem Winzer in der Messehalle einen ausgezeichnete Roten probiert. Leider waren das seine letzten Flaschen und er bedauerte, uns von diesen Jahrgängen nichts mehr verkaufen zu können. "Das ist gut für mich, aber leider schlecht für Sie", hatte er damals mit eine verschmitzten Lächeln um die Augen bedauernd hinzugefügt. Jetzt stand einer der Mossio-Söhne wieder da, mit vollem Lager. Wir wurden nicht enttäuscht.


Bild

Winzer Mossio



Bild Bild

Die Weinbauschule (links) bietet ihren eigenen Wein an - Verkostung



Bild

Die Messe ist immer gut besucht



Bild

Plakat mit Bildern der Trüffelmesse aus dem Jahr 1954



Bild

Trüffel über Spiegelei



Bild

Blaue Stunde - Ciao Alba




Bild




(Hier geht es direkt zum Teil 1: Apulien - Vieste und Trulli-Region Alberobello)

(Hier geht es direkt zum Teil 2: Pompeji und Bologna)


Beste Grüße, Rod
Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.
(Augustinus Aurelius)

Benutzeravatar
oldpitter
Senior Member
Beiträge: 7418
Registriert: 4. Nov 2007, 12:35
Wohnort: Hopsten

#2 Beitrag von oldpitter » 6. Nov 2013, 18:19

drxu5 nicht nur traumhafte Fotos
nicht nur begeisternde Motive
nein - auch noch unterhaltend lehrreich :daumen

Wäre ich nicht schon seit frühester Jugend ein Italien-Fan - spätestens JETZT wäre ich einer :lol:

.... und ich habe gerade mächtig Appetit auf Wein und Trüffel.... :''>


Danke, Rod, für den schönen Bericht und die Mühe :notworthy:
LG Peter

Junge Vögel singen von Freiheit
alte Vögel fliegen..... :lol:

Bild

Benutzeravatar
Womotraum
Moderatorin
Beiträge: 3481
Registriert: 8. Mai 2009, 21:45
Wohnort: Troisdorf

#3 Beitrag von Womotraum » 6. Nov 2013, 19:44

Ich liebe die Italiener, die italienischen Weine, das italienische Essen die großen Gesten beim Reden :D und das familiäre.

Bisher war ich nur zum Skilaufen in Italien..........jetzt frage ich mich warum nicht im Sommer oder Herbst ???

Dein Bericht und die tollen Fotos machen Lust auf Italien und Huuuunger. Ich glaube morgen gibt es bei uns Gnocchi :D :D
Liebe Grüße
Petra


Es ist nicht zwingend notwendig mich zu verstehen, man muss mich nur aushalten können

Benutzeravatar
Riggs
Senior Member
Beiträge: 886
Registriert: 12. Mär 2009, 13:11
Wohnort: Henstedt-Ulzburg

#4 Beitrag von Riggs » 7. Nov 2013, 11:41

Geniale Bilder, klasse Bericht. Danke ROD.

Gruß
Günther
Dethleffs Advantage T 6951

Benutzeravatar
Sunny6
Junior Member
Beiträge: 47
Registriert: 14. Okt 2012, 18:54
Wohnort: Oberösterreich

#5 Beitrag von Sunny6 » 17. Nov 2013, 14:23

Toller Italienbericht, man kriegt richtig Sehnsucht
nach Bella Italia. Traumhaft schöne Foto`s gemacht. :D :D

LG Sunny
Mit dem Womo ferne Länder erkunden.

reisemobil
Junior Member
Beiträge: 28
Registriert: 9. Jan 2012, 18:25

#6 Beitrag von reisemobil » 17. Nov 2013, 14:56

Hallo Rod,
nach Teil 3 möchte ich mich den Lobeshymnen anschließen. Tolle Fotos und ein wirklich lesenswerter Reisebericht. Man merkt, dass du dieses Land liebst und die Tour richtig genossen hast.

Viele Grüße Michael

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 21 Gäste